Eugene Gendlin
Der Pionier des Focusing und Vordenker einer ganzheitlichen Psychologie
Eugene Gendlin, ein Wiener, der unter der Anleitung des berühmten Carl Rogers forschte, revolutionierte die psychologische Praxis mit seinem Ansatz des Focusing. Diese Methode, ursprünglich als Selbsthilfetechnik entwickelt, ermöglichte es Menschen, ohne die Notwendigkeit einer tiefgehenden Psychotherapie, zu emotionaler Klarheit und Heilung zu gelangen. Gendlins Ansichten und Methoden haben die psychologische Forschung nachhaltig beeinflusst und tragen bis heute zur Erhaltung und Förderung der menschlichen Resilienz bei.
Der Focusing-Ansatz: Selbsthilfe statt Therapie
Gendlin entwickelte den Focusing-Ansatz in den 1960er Jahren, nachdem er bemerkte, dass erfolgreiche Therapieergebnisse oft weniger von der Technik des Therapeuten, sondern vielmehr von der inneren Haltung der Klient:innen abhingen. Er stellte fest, dass diejenigen, die sich auf ihre „körperliche Empfindung“ – die er als „felt sense“ bezeichnete – einlassen konnten, bessere Fortschritte in ihrer Selbstheilung erzielten. Focusing lehrt Menschen, sich auf diese inneren Empfindungen zu konzentrieren, sie zu deuten und daraus wertvolle Einsichten über ihre Emotionen und Probleme zu gewinnen.
Gendlin selbst betonte, dass Focusing in vielen Fällen eine vollständige Psychotherapie überflüssig machen kann. Er entwickelte die Methode als Selbsthilfetool, das den Menschen in die Lage versetzt, eigenständig mit ihren Emotionen zu arbeiten, ohne auf tiefere therapeutische Interventionen angewiesen zu sein.
Ganzheitlicher Ansatz: Seele und Körper als Einheit
Gendlin brach mit der traditionellen Sichtweise, die Seele als isoliertes „Objekt“ zu betrachten. In seinen Forschungen und Methoden wurde die Seele als integraler Bestandteil des gesamten menschlichen Erlebens verstanden – untrennbar vom Körper und den physischen Empfindungen. Dieser ganzheitliche Ansatz steht im Zentrum von Focusing, bei dem der Körper als Speicher von Emotionen und Erfahrungen betrachtet wird.
Indem er den „felt sense“ als Zugang zu tieferen emotionalen Wahrheiten erkannte, lenkte Gendlin die psychologische Forschung weg von rein kognitiven oder behavioralen Modellen hin zu einer Herangehensweise, die den Menschen als ganzheitliches Wesen betrachtet. Diese neue Perspektive förderte ein besseres Verständnis dafür, wie Körper und Geist zusammenarbeiten, um Resilienz und Wohlbefinden zu unterstützen.
Resilienzforschung: Der Beitrag Gendlins zur modernen Psychologie
Ein weiterer bedeutender Beitrag Gendlins war seine Mitwirkung an der Erforschung der Faktoren, die zur Erhaltung und Förderung der menschlichen Resilienz beitragen. Er erkannte, dass die Fähigkeit eines Menschen, auf innere Empfindungen zu hören und sie zu verstehen, eine entscheidende Rolle dabei spielt, wie gut er mit Herausforderungen und Krisen umgeht. In dieser Hinsicht ebnete Focusing den Weg für moderne psychologische Ansätze, die sich auf Stärken und Ressourcen der Klient:innen konzentrieren, anstatt nur auf Probleme und Defizite.
Gendlins Arbeit hat damit nicht nur den therapeutischen Prozess, sondern auch die Art und Weise, wie Menschen sich selbst wahrnehmen und ihre eigene Gesundheit fördern, grundlegend verändert. Sein Ansatz betont, dass jeder Mensch die Fähigkeit besitzt, auf seine eigenen inneren Ressourcen zuzugreifen, um Widerstandsfähigkeit zu entwickeln und emotionales Wohlbefinden zu erlangen.
Ein bleibendes Erbe
Eugene Gendlin hat mit seiner Methode des Focusing eine einfache, aber tiefgreifende Technik geschaffen, die Menschen weltweit hilft, sich selbst besser zu verstehen und ihre inneren Konflikte zu lösen. Sein ganzheitlicher Ansatz hat die psychologische Forschung nachhaltig beeinflusst und bietet auch heute noch wertvolle Werkzeuge zur Förderung von Resilienz und Selbstheilung.
Als Schüler von Carl Rogers hat Gendlin nicht nur einen entscheidenden Beitrag zur humanistischen Psychologie geleistet, sondern auch gezeigt, wie wir durch das bewusste Wahrnehmen unserer inneren Empfindungen zu mehr Selbsterkenntnis und emotionaler Gesundheit gelangen können. Sein Vermächtnis lebt in der Praxis des Focusing weiter – einer Methode, die den Menschen als Ganzes betrachtet und ihn befähigt, selbst die Verantwortung für sein Wohlbefinden zu übernehmen.